Wiklund's Perspektive: Human Factors und SOPs für Arbeitsprozesse

Moment mal ... gibt es eine Standardvorgehensweise für das Schreiben eines kurzen Beitrags zu Standardvorgehensweise für TalkingPoints? Falls ja, sollte ich sie besser genau befolgen.

Andererseits kann sich eine genaue Befolgung von Standardvorgehensweise schwierig gestalten. Das liegt zum Teil daran, dass sie alle ähnlich aussehen, mit scheinbar endlosen durchnummerieren Absätzen (z. B. 8.2.11.8) und dicht gedrucktem Text. Sie sind das genaue Gegenteil eines Magazinartikels, der darauf abzielt, die Aufmerksamkeit der Leser mit ansprechendem Text und sorgfältig ausgewählten Bildern zu erregen und sie auf eine informative, vielleicht sogar unterhaltsame Reise zu nehmen.

Standardvorgehensweisen sind jedoch eine ernste Angelegenheit. Standardvorgehensweisen, besonders für klinische Studien, werden aus vielerlei wichtigen Gründen verfasst, wie z. B. um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter eines Unternehmens einen Impfstoff korrekt herstellen. Standardvorgehensweisen müssen vollständig, akkurat und klar formuliert sein. Der Unterhaltungswert ist weder ein explizites noch ein impliziertes Ziel. Ein vernünftiges Ziel ist es hingegen, Standardvorgehensweisen so zu gestalten, dass sie bei ihrer Leserschaft für anhaltende Aufmerksamkeit sorgen.

Wenn Sie eine Benutzeroberfläche gestalten, sollten Sie sich gleich zu Beginn stets deren Benutzer, das Einsatzszenario insgesamt sowie die kritischen bzw. weniger kritischen Aufgaben vor Augen führen. Dies ist ein guter Ausgangspunkt für die Gestaltung von Benutzeroberflächen für Produkte wie z. B. ein Hämodialysegerät, ein Gerät zur Verabreichung von Medikamenten, eine Diagnose-App auf einem Smartphone oder die Gebrauchsanweisungen für ein Blutzuckerspiegel-Messgerät. Ist es also sinnvoll, diesen Ansatz auf die Gestaltung einer Standardvorgehensweise zu übertragen? Ja. Mit diesem Ansatz sind Sie gut positioniert, für Ihre Leser angemessene Ziele für eine Standardvorgehensweisezu setzen. Dazu zählen unter anderem:

• Die Aufmerksamkeit der Leser wecken und halten. (Laut Schätzungen von UL Solutions zufolge verbringen 20 % der Leser einer Standardvorgehensweisen weniger als 30 Sekunden damit, diese zu überfliegen, bevor sie sie abzeichnen.)
• Erläutern Sie Dinge knapp und präzise.
• Verwenden Sie aktive statt passiver Formulierungen (z. B. „Drücken Sie die Starttaste“ anstatt „Die Starttaste muss gedrückt werden“).
• Fügen Sie aussagekräftige Überschriften und Unterüberschriften hinzu, um eine leichtere Navigation durch die Informationen zu ermöglichen und die Lesbarkeit eines Dokuments zu verbessern.
• Fügen Sie zahlreiche Abbildungen anstelle von Texten, oder als Ergänzung.
• Differenzieren klar und deutlich zwischen Verfahrensschritten und Zusatzinformationen.

Diese Liste kann mit Dutzenden von Designeigenschaften von Standardvorgehensweisen beliebig fortgesetzt werden. In der Tat könnte jedes Unternehmen einen umfassenden Regelsatz für die Gestaltung von Standardvorgehensweisen aufstellen, oftmals auch als Gestaltungsrichtlinie bezeichnet. Eine Gestaltungsrichtlinie könnte darüber hinaus mit Musterbeispielen angereichert werden, die den Ton für hervorragend gestaltete Standardvorgehensweisen vorgeben. (Emergo by UL kann Ihnen bei der Ausarbeitung solcher Gestaltungsrichtlinien und Musterbeispiele behilflich sein.)

Die Ausarbeitung von Standardvorgehensweisen, die diese Ziele erfüllen, ist Schritt 1 von 3.  Schritt 2 besteht darin, vorläufige Standardvorgehensweisen zu testen, um sicherzustellen, dass sie das gewünschte Ergebnis erzielen.

Wenn Sie einen akademischen Leistungstest bewerten, um sicherzustellen, dass die Teilnehmer die Fragen aus den richtigen Gründen richtig oder falsch beantworten, wird dies als  kognitive Testbewertung bezeichnet. Wenn Sie die Benutzeroberfläche eines Hämodialysegeräts testen, um sicherzustellen, dass Menschen dieses Gerät sicher und wirksam verwenden können, wird dies als Gebrauchstauglichkeits-Test bezeichnet. Wenn Sie testen, ob Personen die Warnhinweise in der Gebrauchsanweisung eines Insulin-Pens verstehen, wird dies als Wissensüberprüfung bezeichnet. Die Prüfung einer Standardvorgehensweisen können Sie mit einem beliebigen dieser Begriffe beschreiben. Ich werde sie ab jetzt jedoch als Gebrauchstauglichkeits-Test bezeichnen.

Ein Gebrauchstauglichkeits-Test einer Standardvorgehensweisen sollte möglichst unkompliziert sein und kann von einem Unternehmen über interne Ressourcen oder über einen Drittanbieter wie UL Solutions (welches Emergo by UL umfasst) abgedeckt werden.

• Sie bewerten zunächst die Standardvorgehensweisen und bestimmen angemessene Einsatzszenarien und damit verbundene kritische Aufgaben. Als Nächstes fertigen Sie ein Gebrauchstauglichkeits-Testprotokoll mit dem Input zahlreicher Stakeholder an.
• Anschließend führen Sie den Gebrauchstauglichkeits-Test mit vielleicht 6–12 Vertretern der beabsichtigten Anwender durch. Je nach Art der Standardvorgehensweisen führen Sie den Test entweder in einem herkömmlichen Büroraum, in einem speziell dafür vorgesehenen Labor oder am tatsächlichen Arbeitsplatz durch. Wenn die Verfahrensanweisung beispielsweise vorschreibt, dass der Benutzer mit einer großen Produktionsmaschine oder einem großen Prüfgerät interagiert, muss der Test möglicherweise in der Fertigungshalle stattfinden.
• Im Anschluss an den Test können Sie die Ergebnisse analysieren und Schlussfolgerungen über die Vollständigkeit und Klarheit der Standardvorgehensweisen ziehen sowie darüber, ob die von den Testteilnehmern begangenen Anwendungsfehler auf Mängel in der Verfahrensanweisung zurückzuführen sind.
• Der logische, abschließende Teil dieses Schrittes besteht in der Verbesserung der Standardvorgehensweisen, um die beim Test identifizierten Gebrauchstauglichkeits-Probleme zu beheben.

In Schritt 3 wird dann ein abschließender Test der überarbeiteten Standardvorgehensweisen durchgeführt. Fügen wir noch einen vierten Schritt hinzu, der einer Überwachung nach dem Inverkehrbringen gleichkommt. Bitten Sie um Feedback zur veröffentlichten Standardvorgehensweise und achten Sie auf Zeichen, dass diese entweder Probleme verursacht oder keine guten Ergebnisse erbringt.

Letztlich sollten die Autoren von Standardvorgehensweisen diese nicht nur als notwendigen Bestandteil  guter Herstellungspraktiken, sondern auch als Chance betrachten, Anleitungen zu entwerfen, die Menschen auf vielerlei Arten unterstützen– unter anderem indem sie eine manchmal lästige Aufgabe in eine wahrhaft lohnende Lernerfahrung verwandeln.

Michael Wiklund ist General Manager and Director der Abteilung Human Factors Research & Design (HFR&D) von Emergo by UL. Mark Lee ist Senior Business Development Manager von UL Solutions ComplianceWire.