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  • Einblicke

Leitfaden zur Klassifizierung von Medizinprodukten: US-Behörde FDA und EU im Vergleich

Die Experten des Teams Human Factors Research & Design (HFR&D) von Emergo by UL untersuchen die Risikoklassifizierung von Medizinprodukten der US-Behörde FDA und der EU und erläutern, welche Anforderungen sich jeweils für das Human-Factors-Engineering-Programm eines Herstellers ergeben.

Picture of blood pressure monitor with a reading displayed.

December 13, 2023

Von Julee Henry und Katelynn Larson

Überblick über die Risikoklassifizierung von Medizinprodukten 

Bei der Vorbereitung eines Medizinproduktes auf seine Marktzulassung kann eine Bewilligung der Regulierungsbehörden maßgeblich von einer Berücksichtigung der risikobasierten Klassifizierung des Medizinproduktes abhängen. Nachfolgend untersuchen wir die Unterschiede (und Ähnlichkeiten) der Klassifizierung von Medizinprodukten in den USA und der Europäischen Union (EU) sowie die Erwartungen, die in den einzelnen Regionen für die verschiedenen Produktklassen an das Human Factors Engineering (HFE) gestellt werden. 

Wie klassifiziert die FDA Medizinprodukte? 

Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) teilt Medizinprodukte je nach Risiko für Patient oder Benutzer in die Klassen I, II oder III ein. Die Risikostufen für Medizinprodukte werden in der Regel bestimmt, indem man die FDA-Klassifizierungsdatenbank nach Produkten durchsucht, die im Wesentlichen gleichwertig („substantially equivalent“) sind. Zusammenfassend werden Medizinprodukte in die unten definierten risikobasierten Klassen eingeteilt.  

Die Risikoklassen der FDA für Medizinprodukte 

  • Medizinprodukte der Klasse I gelten als risikoarm mit oftmals einfachem Design ohne bewegliche Teile. Beispiele für diese Risikoklasse umfassen Heftpflaster, Skalpelle und manuelle Stethoskope. 

  • Medizinprodukte der Klasse II sind Produkte mit mittlerem Risiko. Sie besitzen oftmals ein komplexeres Design, ein Ausfall wird jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht unmittelbar zu Tod oder schwerer Verletzung führen. Beispiele umfassen Endoskope, Elektrorollstühle, Spritzen und Gelenkimplantate. Produkte der Klasse II machen den höchsten Prozentsatz (43 %) an Medizinprodukten aus. 

  • Medizinprodukte der Klasse III werden von der FDA als Produkte mit hohem Risiko definiert. Sie werden oftmals zu Implantations- oder Lebenserhaltungserhaltungszwecken verwendet, und ihr Ausfall kann zu schweren medizinischen Komplikationen einschließlich Tod führen. Beispiele umfassen Herzschrittmacher, Produkte zur tiefen Hirnstimulation, Brustimplantate und Herzklappen. 

Wie klassifiziert die EU Medizinprodukte? 

Die EU-Verordnung über Medizinprodukte (MDR) enthält in Anhang VIII 22 Klassifizierungsregeln für Medizinprodukte in der EU. Produkte werden unabhängig von ihrer risikobasierten Klasse in eine von vier Kategorien eingeteilt: 

  • Nichtinvasive Medizinprodukte 

  • Invasive Medizinprodukte 

  • Aktive Medizinprodukte 

  • Sonderregelungen (etwa für Verhütungsmittel, Desinfektionsmittel und Medizinprodukte zur Röntgendiagnostik) 

Zusammenfassend werden Medizinprodukte in der EU in die unten definierten risikobasierten Klassen weiter unterteilt.  

Die risikobasierte Klassifizierung von Medizinprodukten in der EU 

  • Produkte der Klasse I gelten als Produkte mit geringem oder mittlerem Risiko, je nachdem, ob das Produkt steril in Verkehr gebracht wird, über eine Messfunktion verfügt oder ein wiederverwendbares chirurgisches Instrument ist. Beispiele für diese Produktklasse umfassen Stethoskope, Thermometer und Endoskope. 

  • Produkte der Klasse IIa gelten als Produkte mit mittlerem Risiko. Beispiele für diese Produktklasse umfassen Hörgeräte und Ultraschallgeräte.   

  • Produkte der Klasse IIb gelten als Produkte mit mittlerem/hohem Risiko. Beispiele für diese Produktklasse umfassen Infusionspumpen, Beatmungsgeräte und Überwachungsgeräte für die Intensivstation. 

  • Produkte der Klasse III gelten als Produkte mit hohem Risiko. Beispiele für diese Produktklasse umfassen Herzschrittmacher, Produkte zur tiefen Hirnstimulation, Brustimplantate und Herzklappen. 

Auswirkung der Risikoklassifizierung von Medizinprodukten auf die Erwartungen der FDA und EU hinsichtlich Human Factors

Die Verordnungen der FDA und EU stellen Hersteller nicht von der Verpflichtung frei, für Medizinprodukte bestimmter Risikoklassen ein Human-Factors-Engineering-Verfahren durchzuführen. In den USA werden die meisten Produkte der Klasse I jedoch bei der FDA registriert, ohne dass eine Freigabe eingeholt werden muss. Daher ist eine HFE-Dokumentation für einen Zulassungsantrag vor dem Inverkehrbringen nicht mehr zwingend erforderlich.  

Anstatt sich ausschließlich auf die jeweilige Risikoklassifizierung von Medizinprodukten in den USA und der EU zu beziehen, sollten Hersteller das anwendungsbezogene Risiko bewerten und ihre HFE-Bemühungen für alle Medizinprodukte entsprechend der anwendungsbezogenen Risikoanalyse skalieren. Dabei hängt die Anzahl anwendungsbezogener Risiken natürlich von der Komplexität und Risikostufe des jeweiligen Produktes ab. Ein Beispiel: Sowohl bei einem Skalpell als auch bei einem Dialysegerät kann eine falsche Anwendung zu Verletzung oder Tod führen. Doch während ein Skalpell vielleicht nur ein bis zwei Anwendungsschritte und somit nur wenige potenzielle Anwendungsfehler umfasst, kann ein Dialysegerät Dutzende von Anwendungsschritten und Hunderte von potenziellen Anwendungsfehlern haben. Dementsprechend wird der HFE-Aufwand zum Nachweis des sicheren Gebrauchs bei einem Skalpell deutlich geringer ausfallen als bei einem Dialysegerät. 

Im Dezember 2022 veröffentlichte die FDA eine Leitlinie mit einer Beschreibung, welche HFE-Dokumentation Anträgen für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten je nach HF-Antragskategorie beigefügt werden muss. Die HF-Antragskategorie wird durch Beantwortung einer Reihe von Fragen darüber bestimmt, ob das Produkt neu ist oder geändert wurde, welche Änderungen bei Benutzeroberfläche, beabsichtigten Benutzern oder Anwendungsumgebungen des Produktes erfolgt sind und ob anhand der anwendungsbezogenen Risikoanalyse Änderungen an kritischen Aufgaben vorgenommen wurden. Anzumerken ist, dass diese HF-Antragskategorien (1, 2 und 3) nicht mit dem risikobasierten Klassifizierungssystem für Medizinprodukte der FDA im Zusammenhang stehen. Emergo by UL versteht jedoch, wie wichtig es ist, die neue Leitlinie der FDA zum Human Factors Engineering korrekt auf die Zulassungsanträge für Medizinprodukte anzuwenden.     

In Europa wird von Herstellern von Medizinprodukten gleichfalls erwartet, dass sie ihre HFE-Bemühungen abhängig von Entscheidungsfaktoren wie denen, die von der FDA vorgegeben werden, entsprechend skalieren. Die Leitlinie IEC 62366-1 beschreibt jedoch nicht so explizit und ausführlich wie die FDA-Leitlinie, welche Dokumentation zur Gebrauchstauglichkeit erforderlich ist.   

Julee Henry ist Lead Human Factors Specialist und Katelynn Larson ist Technical Writer bei Emergo by UL.

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