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Wann braucht ein Produkt eine Kurzanleitung?

Bei Medizinprodukten und Kombinationsprodukten zur Verabreichung von Medikamenten ist die Gebrauchsanweisung oder ein Handbuch in der Regel die primäre Orientierungshilfe.

Icon of European Union flag placed on documents

October 21, 2022

Für Medizinprodukte und Kombinationsprodukte zur Verabreichung von Medikamenten ist die Gebrauchsanweisung oder ein entsprechendes Handbuch in der Regel die primäre Anleitungsquelle. Zumindest hoffen Produktentwickler, dass dies der Fall ist. Die Gebrauchsanweisung wird jedoch nicht immer in dem Umfang verwendet, wie Produktentwickler sich das vorstellen. Benutzer können mit einer Gebrauchsanweisung beispielsweise Schwierigkeiten haben oder sie gleich beiseitelegen, weil sie (bei einem komplexen medizinischen Gerät) Hunderte von Seiten umfasst oder (bei einem Kombinationsprodukt) aus einem Origami-ähnlichen Faltblatt besteht, das mehrere Abschnitte mit dicht gedrängten Informationen enthält. Es ist verlockend, diese Probleme einfach durch das Beilegen zusätzlicher Informationsblätter oder einer zusätzlichen Anleitung zu „lösen“. Hierzu zählen insbesondere eine Kurzanleitung oder ein ähnlicher „Spickzettel“, damit sich Benutzer besser auf die wichtigsten Anwendungsschritte konzentrieren können (und im Idealfall Fehler vermeiden). Das Beilegen einer Kurzanleitung ist jedoch nicht immer so einfach – oder wirksam –, wie es scheint. In bestimmten Situationen kann eine Kurzanleitung für Benutzer nützlich sein, in anderen Situationen hingegen kann eine derartige Anleitung Fehler und Schwierigkeiten bei der Anwendung überhaupt erst hervorrufen, anstatt sie zu reduzieren.

Wann eine Kurzanleitung infrage kommt – und wann nicht

Kurzanleitungen können nützliche Hilfsmittel darstellen, um eine sichere und wirksame Verwendung eines Produkts sicherzustellen. Je nach ihrer Komplexität können Produkte eine einzelne Kurzanleitung enthalten, welche die Aufmerksamkeit des Benutzers auf wichtige Verwendungsschritte lenkt (üblicherweise solche, die mit kritischen Aufgaben verknüpft sind). Produkte können auch eine ganze Reihe von Kurzanleitungen enthalten, beispielsweise eine für jede Verwendungsphase (z. B. Einrichtung, Verwendung, Fehlerbehebung). Eine Kurzanleitung sollte bei der Produktverwendung am Einsatzort griffbereit und leicht zugänglich sein. Es kann sich dabei z. B. um „Schnellschritte“ handeln, die innen auf den Verpackungsdeckel aufgedruckt sind, ein paar laminierte Karten für ein Dialysegerät in einem Krankenhaus oder eine Notfallkarte für die Brieftasche mit Angaben zur Verwendung einer Insulinpumpe oder eines anderen Produkts für unterwegs.

Ein potenzieller Nachteil bei der Beilage einer Kurzanleitung besteht jedoch darin, dass Benutzer die eigentliche Gebrauchsanweisung übersehen oder bewusst nicht beachten. Im Vergleich zu Gebrauchsanweisungen sind Kurzanleitungen oftmals kürzer und bunter und enthalten mehr Abbildungen und weniger Text. Andererseits begegnen uns bei Gebrauchstauglichkeits-Tests häufig Benutzer, die ein Produkt lieber auf gut Glück ausprobieren, anstatt die Gebrauchsanweisung zu lesen. Für solche Benutzer ist eine Kurzanleitung sicherlich „besser als nichts“, um wichtige Informationen zu vermitteln. Bei der Gestaltung und Einführung einer Kurzanleitung sollten Hersteller daher neben der Produktkomplexität auch die Charakteristiken der Anwender berücksichtigen.

Wann eine Kurzanleitung infrage kommt

Unserer Erfahrung nach erweist sich eine Kurzanleitung insbesondere dann als nützlich, wenn nur ein oder zwei wirklich kritische Aufgaben ausgeführt werden müssen. (Wir sprechen von „wirklich“ kritischen Aufgaben, weil das Center for Drug Evaluation and Research [CDER] der FDA Aufgaben gemeinhin als kritisch definiert. Uns ist jedoch bewusst, dass die Liste der Aufgaben, die für eine wirksame Verabreichung von Medikamenten wirklich ausschlaggebend ist, manchmal kürzer ist.) Im Fall eines Injektionsgeräts für den einmaligen Gebrauch kann es beispielsweise am wichtigsten sein, das Ablaufdatum zu prüfen, die richtige Injektionsstelle auszuwählen, das Gerät zu aktivieren und die Nadel nach dem Injizieren ganze 10 Sekunden lang in der Haut zu belassen. Zwar gibt es weitere wichtige Anwendungsschritte, doch ist es wohl am wichtigsten, die Benutzer bei wiederholtem Gebrauch an die oben erwähnten Schritte zu erinnern.

Eine Kurzanleitung ist zudem sinnvoll bei Produkten, die bis auf einen oder zwei Schritte und/oder Funktionen anderen bereits auf dem Markt befindlichen Produkten ähneln. Eine Kurzanleitung könnte diese Unterschiede wirksamer hervorheben als ein oder zwei Sätze irgendwo in der vollständigen Gebrauchsanweisung. Wichtig ist dies vor allem bei Schritten, die der anwendungsbezogenen Risikoanalyse zufolge als kritisch gelten.

Wann eine Kurzanleitung nicht infrage kommt

Betrachten wir im Gegensatz dazu ein Produkt, bei dem ein gefriergetrocknetes Medikament in Pulverform mithilfe von zwei Gefäßen, zwei Spritzen und anderen Hilfsmitteln angemischt werden muss. Zwar spielen nur einige Schritte eine zentrale Rolle – so muss der Anwender vielleicht darauf achten, dass das Pulver vollständig im Verdünnungsmittel aufgelöst ist und dass die korrekte Dosis in die Spritze aufgezogen und injiziert wird –, doch sind bei der Interaktion mit den Gefäßen und Spritzen mehrere kritische Schritte auszuführen, wie z. B. die Entnahme der korrekten Flüssigkeitsmenge und die Eliminierung von Luftbläschen. Der detaillierte Zubereitungsprozess lässt sich möglicherweise nicht auf verständliche Weise in eine Handvoll einfacher Schritte aufteilen. Daher sollten sich Anwender anstatt auf einen „Spickzettel“, der nicht alle Unterschritte deutlich kommunizieren kann, besser auf die vollständige Gebrauchsanweisung verlassen.

Abschließende Bemerkungen

In vielen Fällen kann eine gut durchdachte Kurzanleitung die Gefahr mindern, dass sich bei dem (oder den) kritischsten Schritt(en) Anwendungsfehler einschleichen. Eine Kurzanleitung ist jedoch kein Patentrezept. Ihr Vorhandensein kann dazu führen, dass Benutzer die eigentliche Gebrauchsanweisung nicht beachten und/oder bei Schritten, die nicht in der Kurzanleitung beschrieben werden, Anwendungsfehler begehen. Die Entscheidung hängt vor allem von den Charakteristiken der Anwender, der Komplexität des Produkts und der Anzahl „wirklich“ kritischer Aufgaben ab.

Nun, dass wir besprochen haben, in welchen Fällen sich eine Kurzanleitung für ein Produkt lohnt, was steht als Nächstes an? Wenn Sie entschieden haben, dass eine Kurzanleitung für Ihr Produkt nützlich ist, entwerfen Sie eine wirksame Anleitung, die die Benutzer anspricht und wichtige Informationen klar und deutlich vermittelt. In einem zukünftigen Blog gehen wir auf bewährte Praktiken für den Entwurf einer Kurzanleitung ein.

Allison Strochlic ist Research Director der Abteilung Human Factors Research & Design von Emergo by UL.

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